Klimaschutz-Kriterien für die Beschaffung
Auf einen Blick
Lieferkette
Bundesweit
Beschreibung
Die Beschaffung von Gütern im Unternehmen ist ein großer Hebel für Klimaschutzmaßnahmen, da Produkte und Güter immer einen Rucksack an Treibhausgasemissionen mitbringen. Besonders für wesentliche Rohstoffe und Produkte ist es sinnvoll, die Beschaffung mit Kriterien und Leitlinien zu versehen, um die indirekten Emissionen zu verringern. Dabei können auch Zertifizierungen und Produktlabel helfen, die jedoch sorgfältig ausgewählt werden sollten. Zusätzlich können auch andere Nachhaltigkeitsaspekte, wie zum Beispiel Menschenrechte und Umweltthemen, in den Beschaffungsrichtlinien berücksichtigt werden. Damit sollen insbesondere vorhandene Risiken in der Lieferkette erkannt und ggf. vermindert werden.
Einordnung
Im Rahmen einer Treibhausgas-(THG-) Bilanzierung werden im Scope 3 die indirekten Emissionen betrachtet, worunter auch beschaffte Güter fallen. Diese bringen einen THG-Rucksack durch die benötigten Rohstoffe, den Energieverbrauch während der Produktion, sowie Transporte mit sich. Als Hebel für Klimaschutzmaßnahmen ist es also sinnvoll, die Beschaffung von Gütern im Unternehmen hinsichtlich THG-Emissionen und Klimaschutzaspekten zu betrachten und Leitlinien dafür zu entwickeln.
Zu Beginn dafür sollte eine Analyse der bisherigen Beschaffungspraktiken und der eingesetzten Rohstoffe und Produkte durchgeführt werden (vgl. Maßnahme „Ist-Analyse beschaffter Güter hinsichtlich Klimaschutzaspekten“). Wenn man die Perspektive auf weitere Nachhaltigkeitsaspekte erweitert, können Synergien genutzt und eine ganzheitliche Strategie aufgebaut werden.
Umsetzung
Ein nachhaltiges und klimaschutzorientiertes Beschaffungsmanagement lässt sich mit Hilfe des nachhaltigen Beschaffungsprozess-Modell nach Fröhlich (Fröhlich 2015) implementieren, welches auf vier Schritten basiert.
- Basis für eine nachhaltige Beschaffung legen
- Integration nachhaltiger Aspekte in den Beschaffungsprozess
- Kontinuierliche Leistungsüberwachung und –verbesserung bei Lieferanten
- Steuern und Lernen
Die Analyse der bisherigen Beschaffungspraxis ist ein wichtiger erster Schritt, um darauf aufbauend eine nachhaltige Beschaffungsstrategie zu entwickeln und ist beschrieben unter der Maßnahme „Ist-Analyse beschaffter Güter hinsichtlich Klimaschutzaspekten“.
Aus der Struktur der Lieferkette und Lieferantenauswahl ergeben sich sowohl wirtschaftliche Risiken als auch Chancen. Hierbei gibt es auch Überschneidungen mit den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LksG). Das LkSG verpflichtet große Unternehmen (ab 1.000 Mitarbeitende) zur Berücksichtigung von Menschenrechten im eigenen Geschäftsbetrieb und bei den direkten Zulieferern. Auch wenn Unternehmen nicht in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, können kleinere Unternehmen als Zulieferer auch in die Pflicht genommen werden, sich mit Menschenrechten zu beschäftigen und in der Lieferkette zu analysieren. Mit dem CSR-Risiko-Check bietet die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung ein kostenfreies Tool für eine gute erste Einschätzung.
Aus der Analyse der Lieferkette leiten sich mögliche relevante Themen ab, welche jedoch eine unterschiedliche Bedeutung innerhalb des Unternehmens haben können. Daher schließt sich immer eine Bewertung der Relevanz an, bei denen die Themen zum Beispiel über die Schwere oder Wahrscheinlichkeit einer möglichen Auswirkung bewertet und eingeordnet werden (zum Beispiel kann das Risiko eine Menschenrechtsverletzung in der Lieferkette weniger wahrscheinlich sein, aber im Fall des Eintretens sind die Auswirkungen sehr hoch).
Um im zweiten Schritt eine nachhaltige Beschaffungsstrategie zu entwickeln, können die wesentlichen Themen herangezogen werden, um daraus einen ersten Handlungsbedarf abzuleiten. Dabei sollten möglichst konkrete Beschaffungsziele für die wesentlichen Aspekte formuliert werden, woraus sich dann konkrete Maßnahmen ableiten lassen.
Es ist dabei sinnvoll, Synergien zu nutzen und sich nicht nur auf klimarelevante Bereiche zu fokussieren, sondern gleichzeitig alle Dimensionen der Nachhaltigkeit zu betrachten, d.h. inklusive andere Umweltaspekte, der sozialen Dimension und der wirtschaftlichen Dimension. Oftmals können die Maßnahmen auf mehrere Ebenen gleichzeitig abzielen, es sollte jedoch auch auf Zielkonflikte geachtet werden.
Beispiele:
Klimarelevante und ökologische Maßnahmen:
Ermittlung des Product Carbon Footprint der zugekauften Güter
Nutzung klimaverträglicher Verkehrsmittel (Bahn statt Flugzeug)
Einkauf von Vorprodukten mit kurzem Transportweg
Soziale Maßnahmen:
Weiterbildungsangebote für die Mitarbeitenden mit Einfluss auf die Auswahl der beschafften Güter (z.B. Einkaufabteilung, technische Abteilungen, Führungskräfte)
Unterstützung von kleinen Lieferanten, z.B. durch Wissens- und Erfahrungsaustausch in Netzwerken oder im direkten Kontakt
Etablierung von Beschwerde- und Vorschlagsmechanismen, auch für Lieferanten
Ökonomische Maßnahmen:
Langfristige und kooperative Lieferantenverträge
Faire Zahlungskonditionen
Alle Prozessschritte der Beschaffung sollten einbezogen werden. Es ist sinnvoll mit dem Bedarfsmanagement zu beginnen und zu hinterfragen welche Spezifikationen und Beschaffungszyklen notwendig sind (z.B. Austausch von IT-Geräten nach längerer Nutzungsdauer).
Nachhaltige Lieferantenauswahl
Zur Vorauswahl der Lieferanten können verschiedenen Verfahren genutzt werden, wie zum Beispiel das Einholen einer Selbstauskunft der Lieferanten mit Basisdaten und Informationen, auch zu Klima- und Nachhaltigkeitsaspekten (z.B. Nachhaltigkeitsbericht, Corporate Carbon Footprint, EMAS oder ISO-Zertifizierung), oder Verpflichtung zum Supplier Code of Conduct.
Beispielhafte Auswahlkriterien können sein:
Zertifizierungen (EMAS, ISO-Managementsysteme)
Energieverbrauch und Emissionsangaben der angebotenen Produkte
Recyclefähigkeit, Lebensdauer und Reparierbarkeit der Produkte
Regionalität
Verpackungseffizienz und Recyclingbemühungen
Faire Bezahlung
Mitarbeitendenpartizipation
Weiterbildungsangebote
Inklusionsprogramme
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Lieferkettenmanagement
Nutzen von Nachhaltigkeitsratings (z.B. EcoVadis, Integrity Next, etc.)
Nachhaltige Lieferantenbewertung
Grundlage einer langfristigen Beziehung zwischen Lieferant und Kunde ist die Bewertung der Lieferanten sowie die Zusammenarbeit mit den bedeutendsten Lieferanten. Sie bietet die Möglichkeit, Feedback zu geben und die Zusammenarbeit zu verbessern. Dabei können neben klimarelevanten Kriterien allgemein nachhaltige Kriterien für eine ganzheitliche Bewertung herangezogen werden.
Beschaffungsrichtlinie und Erfolgskontrolle
Alle erarbeiteten Kriterien (zum Beispiel zur Energieeffizienz oder zu THG-Emissionen) sollten in einer Beschaffungsrichtlinie festgehalten und intern kommuniziert werden. Dabei ist es sinnvoll, alle Beteiligten zu schulen und zu informieren, damit die Prozesse dann auch gelebt werden.
Der vierte Schritt des Beschaffungsprozess-Modells beinhaltet die Erfolgskontrolle. Die selbst festgelegten KPIs sollten überwacht und interpretiert werden. Es ist auch wichtig, die Bewertung der Leistung des Beschaffungsteams entsprechend neu zu denken, da eben neue Kriterien umgesetzt werden. Dieser Schritt muss also auch im Topmanagement passieren und gelebt werden. Auch die Umsetzbarkeit der Ziele und Maßnahmen sollte kritisch hinterfragt werden, sodass die Beschaffungsstrategie gegebenfalls angepasst und kontinuierlich weiterentwickelt werden kann.
Praxisbeispiel
Ein mittelständisches Lebensmittelunternehmen analysierte seine Beschaffungspraxis. Dazu wurden die Wertschöpfungskette, sowie die internen Unterstützungs- und Managementprozesse betrachtet. Die bisherige Beschaffungsrichtlinie beinhaltet keine Auswahlkriterien mit Bezug zu Umwelt oder Nachhaltigkeit. Lieferanten werden durch einen Code of Conduct dazu verpflichtet, geltendes Recht auch in Bezug auf Umwelt einzuhalten.
Aufbauend auf den Ergebnissen der Analyse wird eine Beschaffungsstrategie entwickelt, welche Ziele und Maßnahmen beinhaltet. Ein Ziel ist es, die Prozesse zur Lieferantenauswahl, -bewertung und -entwicklung zu strukturieren und Klima-, Umwelt- und soziale Kriterien zu implementieren. Zu den einzelnen Produkten und Dienstleistungen, die im Unternehmen beschafft werden, wurden mögliche Ansatzpunkte zusammengetragen:
Produkt/Dienstleistung | Ansatzpunkte |
Rohstoffe (Metalle, Kunststoffe) | THG-Emissionen während der Produktion, Transportwege, Menschenrechte bei der Herstellung und Gewinnung (Soweit ermittelbar) |
Strom | Grünstromtarif |
Erdgas | - |
Produktionsmaschinen | Energieeffizienz, Reparierbarkeit, Ersatzteilverfügbarkeit, Service der Hersteller |
Verpackungsmaterial | Recyclingmaterial, CO2-Emissionen |
Logistikdienstleistungen | CO2-Emissionen, Faire Bezahlung |
IT-Geräte | Energieeffizienz, Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit |
Papier | Recyclingmaterial |
Büroausstattung | Recyclingmaterial, Langlebigkeit |
Reinigungsdienstleistung | Umweltverträglichkeit, Faire Bezahlung, Einhaltung der Arbeitszeitgesetze |
Kantinenbetrieb | Regionale und saisonale Lebensmittel, vegane Speisen, CO2-Emissionen, Faire Bezahlung |
Fuhrpark | CO2e-Emissionen während Nutzung und THG-Emissionen in der Lieferkette |
Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), 2019: Leitfaden Nachhaltige Beschaffung, Version 1
Burian, L.; Fröhlich, L.; Sievers, K., 2013: Development of a Guideline for Implementing Sustainability into Procurement Processes of SMEs: An Empirical Investigation. In: Bogaschewsky, Ronald; Eßig, Michael; Lasch, Rainer; Stölzle, Wolfgang (Hrsg.): Supply Management Research. Aktuelle Forschungsergebnisse 2013. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden (Advanced Studies in Supply Management), S. 197–221.
Fröhlich, Elisabeth (Hrsg.), 2015: CSR und Beschaffung, Management-Reihe Corporate Social Responsibility, Springer-Verlag Berlin Heidelberg; DOI 10.1007/978-3-662-46231-7_1
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2021: Nachhaltige Beschaffung konkret, 4. überarbeitete Auflage
Quellenangabe
Datum
Zuletzt geändert am 10. Mai 2024Verwandte Artikel
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