Elektrifizierung thermischer Prozesse
Auf einen Blick
Erneuerbare Energien
Bundesweit
Beschreibung
Eine Möglichkeit, die THG-Emissionen zu verringern und Treibhausgasneutralität zu erreichen, besteht darin, die Erzeugung von Prozesswärme auf erneuerbaren Energien umzustellen, wodurch fossile Energien ersetzt werden. Hier bieten sich zunehmend technische Möglichkeiten zum Einsatz von Strom anstelle von Erdgas oder Kohle.
Einordnung
24 % des in Deutschland verbrauchten Erdgases dienen der energetischen Bereitstellung von Prozesswärme. Dies entspricht einem Anteil von 22 % am gesamten Endenergieverbrauch in Deutschland. Während erneuerbare Energien nur vereinzelt in der Industrie zwecks Prozesswärme genutzt werden, wurde bereits für einige Branchen demonstriert, dass die technische Bereitstellung von CO₂-neutraler Prozesswärme möglich ist. In einer Studie des Umweltbundesamtes (aus dem Jahr 2023) wurde festgestellt, dass eine Umstellung auf eine CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung bis 2045 technisch realisierbar ist. Jedoch werden sich die Lösungen zwischen den Branchen und Anwendungen sehr wahrscheinlich unterscheiden.
Im Folgenden werden einige Gründe genannt, die für den Umstieg auf ein nachhaltigeres und umweltbewussteres System sprechen:
Bei der Verwendung fossiler Brennstoffe besteht von Natur aus ein höheres Risiko für Unfälle und Brände. Elektrisch betriebene Heizsysteme minimieren dieses Risiko und bieten einen höheren Schutz für Mitarbeitende und die Umwelt. Sie können sogar in explosionsgefährdeten Bereichen wie der chemischen oder petrochemischen Industrie eingesetzt werden.
Elektroheizanlagen lassen sich präziser steuern und an die spezifischen Gegebenheiten sowie das Zielmaterial anpassen. Diese Eigenschaften machen sie besonders geeignet für automatisierte Produktionslinien, wodurch bestimmte Temperaturen und Temperaturbereiche zuverlässig erreicht und eingehalten werden können.
Die Nutzung fossiler Brennstoffe führt zu einem höheren Verschleiß der Anlagen im Vergleich zu elektrisch betriebenen Systemen. Letztere erfordern daher weniger häufige Wartung, Pflege und Reparaturen aufgrund von Beschädigungen. Dies verlängert ihre Lebensdauer, reduziert Kosten und den Arbeitsaufwand.
Umsetzung
Der Aufwand für die Umstellung von der derzeitigen Referenztechnik auf Strom variiert stark je nach den spezifischen Anwendungen. Im Allgemeinen erfordert die Elektrifizierung in den meisten Fällen den Neubau der Anlagen. Dennoch zeigen sich in den meisten Anwendungen leichte Vorteile der Elektrifizierung gegenüber dem aktuellen Stand sowie im Vergleich zu einer auf Wasserstoff basierenden Technik. Die prognostizierten Effizienzsteigerungen durch Elektrifizierung variieren je nach Industriezweig, von etwa 5 % in der Keramik- und Ziegelindustrie bis zu 40 % in der Glasherstellung. Bei der Erzeugung von Heißwasser und Dampf können durch den Einsatz von Wärmepumpen höhere Effizienzgewinne erzielt werden, die mögliche Effizienzsteigerung liegt zwischen 43 % und 60 %. Allerdings hängt dies vom erforderlichen Temperaturhub ab und ist nicht in allen Anwendungen möglich.
Bei der Prozesswärme zeigt sich zunächst allgemein ein äußerst heterogener Anlagenbestand. Insbesondere im Bereich der Industrieöfen gibt es deutliche Unterschiede in den Techniken und Betriebsparametern zwischen den Branchen und Prozessen. Die installierte Leistung der Anlagen variiert zwischen 0,1 und 140 MWth, während der Durchsatz von weniger als einer Tonne bis zu über 160 Tonnen pro Stunde reichen kann. Temperaturen und spezifischer Energiebedarf unterscheiden sich erheblich zwischen den Anwendungen. Diese Heterogenität betrifft nicht nur den aktuellen Anlagenbestand, sondern auch die Möglichkeiten zur Umstellung auf eine CO₂-neutrale Alternativtechnik. Während die Elektrifizierung einzelner Anwendungen wie in der Gießereiindustrie, der Massivumformung oder der Aluminiumschmelze mit Induktionsöfen bereits Stand der Technik ist, ist sie in Branchen wie Kalk und Zement noch wenig entwickelt und mit grundlegenden technischen Herausforderungen verbunden.
Die Elektrifizierung erfordert in vielen Bereichen noch weitere Forschung und Entwicklung. Bei der Entwicklung von Transformationsstrategien ist es wichtig, den sehr heterogenen Anlagenbestand zu berücksichtigen. Mittel- und langfristig (im Zeitraum bis 2045) wird es für die meisten Branchen wirtschaftliche Lösungen zur Elektrifizierung der Prozesswärme geben. Und in diesen Zeiträumen wird dann auch der dafür notwendige Strom (aus erneuerbaren Energien) im Netz verfügbar sein bzw. durch die Unternehmen teilweise selbst produziert werden.
Praxisbeispiel
Im Folgenden werden ein paar Beispiele zur Erzeugung der Wärme durch Strom genannt:
Elektrokessel: Elektrokessel verwenden Elektroden, um elektrische Energie in Wärme umzuwandeln und ein Medium zu erwärmen. Durch die Verwendung von nachgeschalteten elektrischen Erhitzern können Temperaturbereiche von bis zu etwa 500 Grad Celsius erreicht werden. Die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf Elektro(dampf)kessel stellt eine zukunftssichere Lösung dar. Elektrokessel erfordern zwar eine geringere Kapitalinvestition, verbrauchen jedoch erhebliche Mengen an Strom. Daher sind niedrige Stromkosten entscheidend für ihre Wirtschaftlichkeit. Derzeit geht der Betrieb von Elektrokesseln noch mit erheblichen Zusatzkosten einher, einschließlich Investitionen in die Anlagenintegration und den Ausbau des Netzanschlusses. Jedoch kann ein geringer Volllastbetrieb in Verbindung mit Photovoltaik-Anlagen bereits heute die Prozesswärme aus Strom zu einer wirtschaftlich attraktiven Alternative machen.
Wärmepumpe: Die Verwendung von Wärmepumpen stellt eine äußerst effiziente Methode zur Wärmebereitstellung dar. Sie können industrielle Abwärme (in gasförmiger (z.B. Abluft) oder flüssiger (z.B. Abwasser) Form) oder Umweltwärme als Energiequelle nutzen. Durch einen elektrisch betriebenen Kompressor wird das erwärmte Kältemittel verdichtet, wodurch seine Temperatur erhöht wird. Gegenwärtig können mit den verfügbaren Anlagen problemlos Temperaturen zwischen 80 und 120 °C je nach Wärmequelle erreicht werden. Grundsätzlich können Wärmepumpen auch bei höheren Soll-Temperaturen eingesetzt werden, sofern die Temperatur der Wärmequelle ausreichend hoch ist. Aufgrund der hohen Anfangsinvestitionen sind industrielle Wärmepumpen derzeit in der Praxis noch wenig verbreitet. Die deutsche Industrie ist sehr vielfältig und heterogen, wodurch eine Massenproduktion von Wärmepumpen für Temperaturen über 200°C aktuell eher unwahrscheinlich ist. Dennoch kann die Wärmepumpe bei niedrigen Prozesstemperaturen (bis 120°C), einer geeigneten Wärmequelle, einer hohen Auslastung und ausreichender Förderung eine Alternative zum herkömmlichen Gaskessel darstellen.
Insbesondere die geringeren Gestehungskosten bei Strom aus erneuerbaren Energien werden mittelfristig die Erzeugung von Prozesswärme mittels Strom deutlich wirtschaftlicher machen. Selbstproduzierter Strom aus eigenen PV-Anlagen ist heute schon die kostengünstigste Möglichkeit, Strom zu beschaffen. Anfang 2024 lag der Industriestrompreis bei 17,65 ct/kWh, Strom aus der eigenen PV-Anlage liegt bei ungefähr 10 ct/kWh.
Quellen
https://static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2021/2021-05_IND_DE-P4Heat/2022-07-07_Praesentation_Webinar_Power-2-Heat.pdf (aufgerufen am 21.03.2024)
https://dieseklimaseite.de/Technologie (Aufgerufen am 26.03.2024)
https://green-industry.auragmbh.com/wp-content/uploads/2022/05/22-05-03_Factsheet.pdf (Aufgerufen am 26.03.2024)
Übersicht: Technologien für klimaschonende Prozesswärme - Unternehmensnetzwerk Klimaschutz (klima-plattform.de) (Aufgerufen am 04.04.2024)
Strompreise in Deutschland: https://www.bdew.de/service/daten-und-grafiken/bdew-strompreisanalyse/ (abgerufen am 18. April 2024)
Quellenangabe
Datum
Zuletzt geändert am 03. September 2024Verwandte Artikel
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